Empfehlungen der Agenda21 Pullach an den Gemeinderat zum Projekt Big Wings

Im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit bei der geplanten Änderung des BBP/FNP 23 (Projekt BigWings der United Initiators) hat die Agenda21- wie folgt - Stellung genommen:

1. Mit Rücksicht auf die Sicherheitsinteressen der Pullacher Bürger sprechen wir uns gegen eine Mehrung der industriell nutzbaren Fläche, die sich tatsächlich durch die Umwandlung von bisherigem Gewerbegebiet in Industriegebiet ergeben würde, aus. Betroffen ist eine Fläche von insgesamt 25 800 m2, die in Industriefläche umgewandelt werden soll, wobei auf der größeren Teilfläche von 19 000 m2 gemäß Entwurf des neuen FNP/BBP 23b auch Produktions- und Lagerstätten zugelassen werden sollen. Im Sinne einer nachhaltigen Ortsplanung ist es sicher sinnvoll, die der Gemeinde zur Verfügung stehenden Steuerungsinstrumente bei der Aufstellung eines neuen BBP/FNP auch in Hinsicht auf eine ökologisch verträgliche und für die Gemeinde nachhaltige Entwicklung von Industrie und Gewerbe zu nutzen.

Wir empfehlen deshalb dem Gemeinderat, die bisher im Bebauungsplan/Flächennutzungsplan 23 als Gewerbeflächen ausgewiesenen Teilflächen nicht in Industrieflächen umzuwidmen.

2. Wir meinen darüber hinaus, dass eine mögliche Erweiterung der Produktion organischer Peroxide und der Lagerung dieser klassifizierten Gefahrstoffe auch mit einer Erhöhung der Störfallwahrscheinlichkeit verbunden ist. Dass trotz aller Sicherheitsmaßnahmen ein Störfall jederzeit möglich, hat sich vor Kurzem in Leverkusen eindrucksvoll gezeigt.
Mit einer Betriebserweiterung wäre auch eine entsprechende Steigerung des CO2-, Stickoxid- und Feinstaubausstoßes, sowie mehr Geruchsbelästigung und Industrielärm verbunden.
Ebenso würde auch das Verkehrsaufkommen und speziell der Schwerlastverkehr entsprechend zunehmen.

Wir empfehlen dem Gemeinderat, die Produktionsmengen und Lagerkapazitäten des elektrochemischen Betriebs der United Initiators zu begrenzen:
Die Lagerkapazität soll dabei max. 1600 t betragen, die Produktionsmenge an Gefahrstoffen soll 60 000 t jährlich nicht überschreiten.

3. Aus unserer Sicht muss die im Rahmen von BigWings vorgesehene Rodung von ca. 16 000 m2 Wald im Süden des Werksgeländes unbedingt vermieden werden. Diese 1,6 ha Wald haben im Rahmen des dramatisch fortschreitenden Klimawandels durchaus eine klimarelevante Bedeutung und binden jährlich ca. 20 bis 30 t CO2. Eine Ersatzpflanzung ist für dieses Waldstück unseres Wissens nicht vorgesehen. Sie würde auch Jahrzehnte brauchen, um einen vergleichbaren Klimaeffekt zu erreichen. Die Versiegelung der gerodeten Fläche im Rahmen der industriellen Nutzung ist darüber hinaus aus ökologischer Sicht ebenfalls abzulehnen. Satelliten-Wärmebilder zeigen schon heute für dieses Gebiet einen deutlichen Hotspot.

Wir empfehlen dem Gemeinderat deshalb, die seit 1995 im derzeit gültigen FNP/BBP 23 als Industrieflächen GI 13 und GI 17 ausgewiesenen Teilflächen wieder in die Nutzungsart Wald zurück zu führen.

4. Um die Pullacher Klimaziele auch nur annähernd zu erreichen, ist eine umgehende und vollständige Umstellung der Energieversorgung des Werks auf erneuerbare Energieträger bis spätestens 2025 zu erreichen. United Initiators ist immerhin der größte Energieverbraucher und CO2-Produzent am Ort.

Wir empfehlen dem Gemeinderat, in einem Städtebaulichen Vertrag verbindlich zu vereinbaren, dass der Fremdstrombezug des Werks von ca. 52 MWh bis 2022 auf 100% Ökostrom umgestellt wird. Darüber hinaus soll das derzeit erdgasbetriebene Dampfkraftwerk mit einer Leistung von 120 000 MWh bis spätestens 2025 durch 100% Öko-Fremdstrombezug ersetzt werden.
 

5. Auch der sehr hohe Ressourcenverbrauch von über 4 Mio. m3 an Quellwasser aus dem Isarhang überwiegend für Kühlwasser bei der Produktion soll vertraglich begrenzt bzw. beendet werden. Die Hangquellen stellen eine wertvolle Trinkwasserreserve für Pullach und die Region dar. Der Bedarf des Werks an Kühlwasser von fast 12 Mio. m3 könnte vollständig mit Wasser aus dem Isarkanal gedeckt werden. Der Bedarf an Prozesskälte könnte zudem zumindest teilweise auch über die Fernwärme der IEP abgedeckt werden.

Wir empfehlen dem Gemeinderat, in einem Städtebaulichen Vertrag verbindlich zu vereinbaren, dass die Versorgung mit Kühlwasser aus den Hangquellen auf eine Versorgung aus dem Isarkanal bzw. durch Fernwärme der IEP (Prozesskälte) umgestellt wird. Darüber hinaus soll das das sog. Prozess- oder VE-Wasser ebenfalls nach Aufbereitung aus dem Isarkanal entnommen werden.
 

6. Aus ökologischen und Sicherheitsgründen sollte mit dem Unternehmen auch eine Vereinbarung über die Verlagerung des Auslieferverkehrs vom LKW auf die Schiene verhandelt werden.

Wir empfehlen dem Gemeinderat, in einem Städtebaulichen Vertrag nach Möglichkeit die Umstellung der Auslieferung von Gefahrstoffgütern auf den Schienenverkehr bis 2025 verbindlich zu vereinbaren.

7. Im Interesse der Anwohner sollten die Auswirkungen der gesundheitsgefährdenden Emissionen (Stickoxide, Feinstaub etc.)  auf die Luft in der Umgebung des Chemiebetriebs regelmäßig entsprechend der EU-Luftreinhaltungsrichtlinien messtechnisch erfasst und auf Einhaltung der Grenzwerte überprüft werden.

Wir empfehlen dem Gemeinderat, regelmäßige Messungen zur Einhaltung der Luftreinhaltungsrichtlinien (Grenzwerte) in der Umgebung des Werks an dafür geeigneten Stellen zu veranlassen.